Das Hühnchen

blind und taub und lebensfroh

Mittendrin ( März 2007)

 

Handtücher waschen, jedes Wochenende eine ganze Tonne voll ...

Ulrike hatte dann doch die Faxen dicke.

 

Der Thron unter dem Schrank, ein gefaltetes Handtuch welches dank Hühnchens reger Verdauung mindestens einmal je Tag gewechselt werden musste, ging ja noch. Aber dazu noch die Tücher unterm Schrank, das wollte sie dann doch nicht mehr.
Also stellte sie eine Schale mit Einstreu unter den Schrank und den Thron dann dort rein. Der Thron war nun nicht mehr exakt an der gleichen Stelle wie vorher. Ganze fünf Zentimeter war er verrückt.

 

der neue Thron

 

Diese lächerlichen fünf Zentimeter nahm Hühnchen zum Anlass den Kampf mit Ulrike aufzunehmen. Sie weigerte sich rigoros diese fünf Zentimeter zu akzeptieren. Verbrachte den ganzen Tag und die nächste Nacht auf dem dahinter stehenden Stein. Selbiger sah danach natürlich aus wie ein Misthaufen ;-)

Doch auch Ulrike mochte nicht klein beigeben. Sie verbaute den Stein, wollte Hühnchen die paar Zentimeter weiter zu ihrem Thron zwingen. Doch da hatte sie sich gründlich in Hühnchen geirrt, denn, der Kampf der Giganten nahm eine überraschende Wende.

 

Hühnchen ging nicht auf den Thron zurück. Diesen Sieg wollte sie Ulrike offensichtlich nicht zugestehen. Sie trottete einfach los ... ins Gehege, erforschte es, taperte hoch in die obere Etage, und belegte schlussendlich die Ecke vor der Rampe.

Einfach so. Als ob es das selbstverständlichste der Welt wäre. Als ob sie sagen wollte: Weisste Du 2Bein, es ist nicht so, dass ich nicht hier unter all den anderen Schweinchen hätte leben können. Nein, ich wollte nur nicht ... und wo ich wohne, das entscheide letztendlich immer noch ich. *bastamuig*

 

der neue platz an derRampe im Gehege

 

Nun gut, Hühnchen kann nicht wissen, dass diese Lösung der Ulrike die allerliebste ist. Sonst hätte sie diese sicher nicht gewählt ;-)

In den ersten Tagen rannte sie jedoch zum Fressen immer noch wieder runter in "ihre" Schale neben ihrem Thron, schleppte weiterhin das Futter unter den Schrank und frass dort. Doch seit einigen Tagen hat sie auch das eingestellt. Wenn es Futter gibt, gesellt sie sich jetzt zu den anderen und frisst gemeinsam mit ihnen.

 

Ihr Selbstbewusstsein hat mittlerweile fast bedenkliche Maße angenommen ;-) Irgendwie hat sie es geschafft zu lernen wie sie sich verhalten muss, um in Ruhe gelassen zu werden. Sie rennt nicht mehr fort, keine panischen Flippereinsätze mehr. Sie stellt sich anderen Schweinen und macht vehement klar, dass man sie in Ruhe zu lassen hat. Dabei macht sie sich immer "groß", wippt, wiegt und hüpft hin und her (siehe auch unter den Movies "denen mal zeigen wie man sich begrüßt"). Dieses Verhalten irritiert die anderen total, sie gucken verwirrt, können mit diesem Verhalten nicht umgehen und lassen Hühnchen in Ruhe. Man hat den Eindruck als würden sie Hühnchen als "das Schwein vom anderen Stern" einordnen. Nun, es ist tatsächlich kein typisch schweinisches Verhalten.

Aber was soll's? Wenn es funktioniert ist's ja gut ;-) Denkt Hühnchen sich ...

 

Hühnchen an der Rampe-Nahaufnahme

 

Wenn wir an die ersten Wochen mit ihr zurück denken, dann können wir es kaum glauben. Als sie hier ankam war sie ein hageres, völlig gestresstes, krummes, und nur im Kreis rennendes Etwas. Hilflos, verängstigt, völlig unfähig in der Nähe anderer Schweine zu überleben, aber gesund und munter, verfressen wie nur was, und immer auf Achse.

Was immer schreckliches ihr auch passierte, immer wieder latschte sie los, drehte wieder ihre Kreise und gab nicht auf. Jedoch waren wir davon überzeugt, dass sie zeitlebens nur mit dem Trenngitter hier wird leben können. Dass dieses Tier zu einer solchen Entwicklung fähig sein könnte, hätten wir beide mit voller Überzeugung verneint. Doch dieses Hühnchen hat einen unbändigen Lebenswillen und kennt das Wort "aufgeben" nicht.

 

Zwei ganze Jahre hat's gedauert, doch nun lebt Hühnchen mitten im Gehege unter all den anderen Schweinchen. Mittendrin eben.

gemeinsam mit den anderen beim Grasfressen